Cybergrooming

14.01.2021 | Aktuelles

Ein Notebook in einem dunklen Raum. Das Display zeigt die E-Mail-Seite an.

Der Begriff Cybergrooming bedeutet, dass „Erwachsene Kinder und Jugendliche im Internet gezielt mit sexuellen Absichten kontaktieren. Ziel sind virtuelle oder reale sexuelle Handlungen“, so eine Definition des Schweizer Beratungs- und Präventionsprojektes lilli.ch. Allerdings haben Recherchen des ARD-Politikmagazins REPORT MAINZ kürzlich ergeben, dass es sich bei den Täter*innen nicht zwangsläufig um Erwachsene handeln muss, sondern Tatverdächtige immer häufiger selbst noch minderjährig sind.

Die Silbe „grooming“ stammt vom englischen Verb „to groom“. Das bedeutet auf Deutsch so viel wie Fellpflege betreiben, putzen, striegeln oder sich zurechtmachen und steht laut lilli.ch „sinngemäss [für] das ‚Vorbereiten‘ oder ‚Zurechtstutzen‘ eines Opfers“. Der Wortstamm „Cyber“ steht für das Internet, dem Raum, in dem die Kontaktaufnahme stattfindet. Konkret kommt Cybergrooming online überall dort vor, wo Chatten möglich ist und sich junge Menschen gerne aufhalten. Das betrifft vor allem gängige Social Media-Plattformen, wie TikTok oder Snapchat, aber beispielsweise auch Chats in Online-Spielen.

Ziele und Strategien der Täter*innen

Die konkreten Ziele der Täter*innen variieren. Manchmal möchten Cybergroomer*innen Kinder und Jugendliche durch das Versenden von pornografischen sowie sexualisierten Inhalten, häufig von der eigenen Person, schockieren und auf diese Weise ihre eigene Sexualität zur Schau stellen. In anderen Fällen sind sexuelle Gespräche mit Kindern und/oder Jugendlichen sowie das Ausleben von Fantasien Ziele. Kinder/Jugendliche werden dann beispielsweise nach sexuellen Erfahrungen oder Vorlieben gefragt. Viele Täter*innen wollen erreichen, dass das Opfer ihnen pornografische oder sexualisierte Inhalte von sich selbst schickt. Mittel, um dieses Ziel zu erreichen, können Bestechung oder Erpressung sein. Auch sexuelle Handlungen in der Realität können Zweck des Cybergroomings sein – Täter*innen versuchen dann, dem Kind/Jugendlichen im echten Leben aufzulauern und einen Übergriff zu verüben.

Um ihre Ziele zu erreichen, wenden Cybergroomer*innen verschiedene Strategien an. Häufig legen sie ein Fake-Profil an, also ein Profil mit falschem Namen und falschen Bildern, und geben sich als etwa gleichaltrig aus. Sie möchten als verständnisvolle*r Freund*in mit vielen Gemeinsamkeiten erscheinen und so das Vertrauen des Kindes/Jugendlichen wecken. In anderen Fällen verstecken Cybergroomer*innen ihr wahres Alter nicht, sondern setzen dieses gezielt ein – zum Beispiel, indem sie sich als ältere, erfahrene Person inszenieren, die ihr Wissen gerne mit dem Kind/Jugendlichen teilt. So können sie beispielsweise mit ihrer sexuellen Erfahrung angeben, um die Neugier ihrer jungen Chatpartner*innen zu wecken. Eine weitere Strategie ist es, Geschenke oder Vorteile zu versprechen, zum Beispiel Geld oder den Zugang zu einer Sportler*innen-/Modelkarriere.

Phasen und Strafbarkeit des Cybergroomings

Das hoch manipulative Vorgehen der Cybergroomer*innen lässt sich in der Regel in mehrere Phasen einteilen, die in der Realität natürlich nicht genauso vorkommen müssen. Diese Vereinfachung kann jedoch dabei helfen, Cybergrooming als solches zu erkennen. Besonders relevant scheint die Erkenntnis zu sein, dass Chats mit Cybergroomer*innen oberflächlich betrachtet zeitweise vollkommen harmlos wirken können. Davon sollten sich Kinder und Jugendliche also nicht blenden lassen.

Phase 1: Kontakt herstellen

Der*die Cybergroomer*in schreibt ein Kind oder eine*n Jugendliche*n an und beginnt ein zunächst vermeintlich harmloses Gespräch.

Phase 2: Vertrauen aufbauen

Der*die Täter*in zeigt Interesse am Leben und der Persönlichkeit des Kindes/Jugendlichen, möchte Vertrauen aufbauen und als verständnisvolle*r Ansprechpartner*in erscheinen. Je nach Strategie werden angebliche Gemeinsamkeiten aufgedeckt und das Opfer manipuliert. Es wird versucht, eine Abhängigkeit des Kindes aufzubauen, sodass dieses Angst hat, den*die vermeintlich neue*n Freund*in zu verlieren.

Phase 3: Identität feststellen

Ziel ist es, immer mehr Informationen über das Opfer zu sammeln, zum Beispiel den echten Namen, die Schule und die Adresse. Auch die Wohnverhältnisse können eine Rolle spielen – zum Beispiel ob das Kind/der*die Jugendliche häufig alleine zuhause ist. Dieses Sammeln findet nicht unbedingt nur durch offensichtliche Fragen, zum Beispiel nach dem Wohnort statt, sondern auch über versteckte Informationen, die aus Bildern und Social-Media-Posts herausgelesen werden.

Phase 4: Übergriff vorbereiten

Täter*innen versuchen, die Kommunikation in private Räume, wie Messenger-Dienste, zu verlagern und/oder drängen zu einem persönlichen Treffen.

Cybergrooming sollte unbedingt angezeigt werden. Täter*innen können mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden. Dabei muss es nicht zu einem tatsächlichen sexuellen Übergriff, zum Beispiel einer Vergewaltigung, kommen, denn bereits der Versuch von Cybergrooming ist strafbar.

Tipps für pädagogische Fachkräfte

Täter*innen nutzen häufig die Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen aus. Pädagogische Fachkräfte sollten daher unbedingt mit ihnen über das Thema Cybergrooming sprechen, sie informieren und für das mögliche Vorgehen von Täter*innen sensibilisieren. Wichtig ist auch, eigene Erfahrungen mit dem Cybergrooming zum Thema zu machen. Hierbei ist es wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen sich wohlfühlen, um über ihre Erfahrungen zu sprechen. Nachfolgend finden Sie eine Reihe von Tipps, die Sie als pädagogische Fachkraft an Kinder und Jugendliche weitergeben können:

Präventiv:

  • Privatsphäre-Einstellungen anpassen, sodass fremde Personen keine Nachrichten schreiben beziehungsweise die eigenen Posts sehen können.
  • Pseudonyme nutzen, die keinen Hinweis auf den echten Namen geben.
  • Keine persönlichen Daten herausgeben (Name, Adresse, Schule, Standortangaben usw.) und auch bei Bildern auf versteckte Informationen achten.

Bei Kontakt mit Personen, die man nur aus dem Netz kennt: 

  • Stets misstrauisch bleiben und viele Fragen stellen.
  • Grenzen setzen und „nein“ sagen, nicht unter Druck setzen oder verunsichern lassen. Das können Kinder und Jugendliche beispielsweise mit der Methode “’Nein’ sagen üben” lernen (siehe Infokasten unten)
  • Webcam nicht nutzen und abkleben
  • Vorsicht bei persönlichen Treffen, diese können gefährlich sein (Eltern um Erlaubnis fragen, niemals ohne Begleitung eine Person aus dem Netz treffen, nur im öffentlichen Raum, Vertrauenspersonen informieren)
  • Unangenehme Chatpartner*innen meiden und blockieren
  • Meldung an die Plattform-Betreiber*innen (https://www.klicksafe.de/themen/kommunizieren/cyber-mobbing/service-anbieter-kontaktieren/)
  • Eltern, Lehrer*innen, Vertrauenspersonen einbeziehen
  • Beratung suchen, z. B. Hilfetelefon Sexueller Missbrauch (kostenfrei, anonym): 0800 22 55 530) oder juuuport Online Beratung (kostenlos, vertraulich): www. juuuport.de/beratung
  • Screenshots als Beweise machen
  • An die Polizei wenden

Methoden zum Thema Cybergrooming

Zur Sensibilisierung für das mögliche Vorgehen von Täter*innen:

Stellen Sie die gängigen Phasen vor, in denen Cybergrooming stattfindet (siehe oben). Die Kinder/Jugendlichen sollen überlegen, welche Fragen und/oder Aussagen ein*e Cybergroomer*in in der jeweiligen Phase stellen beziehungsweise treffen würde. Ein Beispiel:

  • Phase 1: Hey, cooles Profil!
  • Phase 2: Wie geht es dir?
  • Phase 3: Auf welche Schule gehst du?
  • Phase 4: Sollen wir uns treffen?

Zu versteckten Informationen in Bildern und Social Media-Posts:

Auch aus grundsätzlich harmlosen Bildern und Social Media-Posts können Täter*innen häufig Informationen herauslesen und diese manipulativ einsetzen. Ist bei einem Selfie beispielsweise das Poster der Lieblingsband im Hintergrund zu sehen, kann diese Vorliebe als angebliche Gemeinsamkeit dargestellt werden.
Schauen Sie sich mit den Kindern/Jugendlichen verschiedene Bilder und Social Media-Posts an. Überlegen Sie gemeinsam, welche Informationen die Bilder preisgeben und wie ein*e Cybergroomer*in sie nutzen könnte.

Zum “Nein” sagen üben:

Kinder und Jugendlich können lernen, “nein” zu sagen und standhaft zu bleiben. Mithilfe dieser Methode kann dieser Lernprozess angestoßen werden.
Dafür werden den Kindern/Jugendlichen einzelne Sätze eines Chatverlaufs präsentiert, in denen der*die Chatpartner*in auf das Versenden eines erotischen Bildes drängt. Beispiele für solche Sätze können sein: “Komm schon, du kannst mir vertrauen”, “Sei nicht so verklemmt. Nur ein oben ohne Bild” oder “Wir sind doch schon soooo lange zusammen. Langsam will ich einen Schritt weiter gehen!”. Die Schüler*innen sollen nun überlegen, wie man solche Aufforderungen mit “Nein” beantworten könnte und mit welcher Antwort sie sich wohl fühlen würden. Als Anregung kann den Teilnehmenden auch die App Zipit von Childline vorgestellt werden.

Lilly Werny