Im Jahr 2023 wurden auf den Smartphones von Schüler*innen digitale Nacktbilder verbreitet, die mithilfe von Deepfake-Technologie erstellt wurden. Betroffen waren mehr als 20 minderjährige Mädchen. Aus Scham meldeten die Mädchen den Vorfall zunächst nicht. Erst als die Mutter einer Betroffenen davon erfuhr und den Fall publik machte, wurde er landesweit und schließlich international bekannt. Die organisierte Gegenwehr mehrerer Mütter löste eine vorher ungekannte Solidarität in der Öffentlichkeit aus1.
Google Trends zeigt, dass seit 2018 die Anzahl der Suchanfragen nach „pornografischen Deepnudes“ weltweit stetig ansteigt. Forschende der Universität Antwerpen haben untersucht, wie Jugendliche mit solchen Inhalten in Berührung kommen: 41,9 % der 15- bis 25-Jährigen gaben an, schon von Deepnudes gehört zu haben; fast ein Drittel hatte bereits selbst eines gesehen. Am häufigsten stießen die Jugendlichen auf diese Bilder in sozialen Netzwerken (68 %), gefolgt von 62,2 %, die sie im Umfeld von Freund*innen gesehen hatten2.
Was sind Deepnudes?
Bei Deepnudes handelt es sich um eine weit verbreitete Form von Deepfakes, die vor allem in pornografischen Inhalten zu finden sind. “Deepnudes“ kombiniert die Begriffe „Deep Learning“ mit „Nude“ für Nacktbild . Für Deepnudes wird Künstliche Intelligenz genutzt, die glaubhaft wirkende Bilder erzeugen kann. Das KI-Modell analysiert bekleidete Fotos und erzeugt daraus manipulierte Nacktbilder3. Eingesetzte Apps und Plattformen werden als Nudifier bezeichnet. Sie ermöglichen es Personen, ohne deren Zustimmung, digital zu entkleiden. Viele Nudifier wie seaart.ai und nudifying.com sind kostenlos verfügbar (Stand: September 2025) und erzeugen glaubwürdige Ergebnisse. Jugendschutz.net hat festgestellt, dass auch kinderpornografisches Material mittels Nudifier erzeugt werden kann. Betroffene Kinder und Jugendliche können mit diesen manipulierten Fotos online und offline gemobbt oder erpresst werden4.
Um das Phänomen Deepnudes haben sich Online-Gruppen organisiert – dort werden nicht nur manipulierte Inhalte miteinander ausgetauscht, sondern auch persönliche Informationen von Betroffenen veröffentlicht. Zudem gibt es Anbieter, die gegen Bezahlung maßgeschneiderte Deepnudes erstellen5.
Deepnudes als digitale Gewaltform
Deepnudes werden eingesetzt, um Menschen zu drohen oder bloßzustellen. Betroffene empfinden das künstlich generierte Material als ebenso erniedrigend wie die Verbreitung echter Nacktaufnahmen6.
Deepnudes fallen als Drohmittel oder zur gezielten Bloßstellung in den Bereich sexualisierter Gewalt – einer Form digitaler Gewalt zur Abwertung, Entwürdigung, Einschüchterung oder Verhetzung von Personen oder Personengruppen7. Diese digitale Gewalt wird durch die permanente Erreichbarkeit im Netz und die Schwierigkeit, einmal veröffentlichte Bilder gänzlich zu löschen, verschärft, während Täter*innen oft anonym agieren können. Hierbei gibt es unterschiedliche Ausprägungen:
- Sextortion etwa kombiniert Sex und Erpressung – Personen werden mit der Veröffentlichung intimer Bilder bedroht oder erpresst8.
- Rachepornos enthalten intimes Bildmaterial, das veröffentlicht wird, um sich gezielt an einer Person zu rächen – beispielsweise nach einer Trennung oder Zurückweisung. Diese fallen mittlerweile unter den Straftatbestand des Cyberstalkings9.
In Deepnudes werden überwiegend Frauen und Mädchen abgebildet10. Wenn das intime Bild eines Mädchens von einem Jungen verbreitet wird, muss die Betroffene die Folgen dafür tragen, indem sie abgewertet, beschämt und ausgegrenzt wird. Der Junge hingegen erfährt eher eine Aufwertung, da ihm durch die Weitergabe des Bildes mehr Männlichkeit zugeschrieben werden kann. Entscheidend für diese unterschiedlichen Bewertungen ist die Akzeptanz geschlechterstereotyper Vorstellungen von Sexualität. Personen aller Geschlechter können durch ihre Haltung oder ihr Verhalten diese ungleichen Dynamiken verstärken11.
Bei Deepnudes handelt es sich um digitale Gewalt, die nicht isoliert betrachtet werden darf – ihr kann physische Gewalt vorausgehen oder folgen12. Diese Form von Gewalt kann in allen digitalen Räumen verübt werden, in privaten Chats, aber auch in öffentlichen und halböffentlichen Netzwerken wie Social Media13. Die Täter*innen können sowohl aus dem nahen Umfeld als auch aus dem Internet kommen. Zentrale Tatmotive ist häufig eine misogyne – also frauenfeindliche – Weltanschauung14.
Pädagogische Ansätze im Umgang mit Deepnudes
Als pädagogischer Grundsatz sollten Gespräche über Sexualität und sexuellen Missbrauch fester Bestandteil der Bildungsarbeit sein – und zwar nicht erst, wenn bereits etwas passiert ist. Wenn Kindern und Jugendlichen Unrecht widerfährt, können sie sich auf bereits bekannte Kommunikationsmuster und Gesprächsstrukturen stützen. Entscheidend ist, dass sie bereits im Vorfeld lernen, wie sie solche sensiblen Themen ansprechen können.
Die Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischen Abbildungen und Rollenbildern in Social Media und Games sollte ein erster Schritt sein, ein Bewusstsein zu schaffen. Auch das Wissen, wie Algorithmen und KI funktionieren, ist eine Voraussetzung dafür, die Mechanismen hinter Deepnudes und Deepfakes zu kennen und zu verstehen. Nicht zuletzt sollten Kinder und Jugendlichen ihre Rechte kennen, u. a. das Recht am eigenen Bild. Wer dieses missachtet, kann zur Rechenschaft gezogen werden (siehe unten).

Materialien zum Thema
Webhelm und Klicksafe bieten Informationen und Methoden zur pädagogischen Auseinandersetzung mit Deepfakes, KI und Pornografie, der ungewollten Weitergabe persönlicher Bilder und zum Thema sexuelle Identität und geschlechtsspezifischer Abbildungen – auch in Games. ACT ON! ergänzt dieses Angebot mit einer Methode, die das Recht am eigenen Bild und Handlungsstrategien bei Mobbing und Online-Kommunikation thematisiert, die interaktive Methode ‘Let’s chat‘, sensibilisiert Jugendliche für problematische Kommunikationsmuster und kann unterstützend genutzt werden um, gemeinsam Handlungsmuster zu entwickeln.
Von der Unabhängigen Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) wurde ein Heft mit Tipps bereitgestellt: Nicht wegschieben! Heft 04 – Wie kann ich mit Kindern über sexuelle Gewalt sprechen?
Institutionen tragen die Verantwortung, schützende Strukturen zu schaffen, die es Kindern und Jugendlichen erleichtern, mit schwierigen Situationen umzugehen. Dies umfasst auch die Reflexion über geschlechtsspezifische Rollenbilder, um strukturelle Diskriminierung ins Bewusstsein zu heben und Jugendliche zu befähigen, ihr eigenes Verhalten zu reflektieren15. Dazu gehört auch, ein Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt zu entwickeln und umzusetzen. Die Fachstelle für Jugendmedienkultur NRW hat ein solches auf den digtalen Raum ausgeweitet als Hilfe bereitgestellt – siehe hier.
Rechtliche Regelungen im Umgang mit Deepnudes
Deepnudes bewegen sich zwischen Graubereich und unterschiedlichen Straftatbeständen. Da es kein einheitliches Gesetz gibt, das den Umgang mit Deepnudes spezifisch regelt, greifen verschiedene bestehende Rechtsnormen, je nachdem in welchen Bereich die jeweilige Tat fällt.
Bereits der Besitz von Nacktbildern Minderjähriger (14-18 Jahre) ist rechtlich strafbar – dies gilt auch für Deepnudes. Darüber hinaus ist auch das Beschaffen von Fotos, die nicht freiwillig geteilt wurden, zum Zweck der Deepnude-Erstellung strafbar16.
Das ungewollte Verbreiten von nicht einvernehmlich erstellten Deepnudes verstößt gegen das Persönlichkeitsrecht und ist daher ebenfalls strafbar. Auch Begleittaten wie beleidigende Kommentare unter Nacktbildern fallen unter den Straftatbestand. Schwerwiegendere Delikte wie Verbreitung, Erpressung und sexuelle Nötigung mit Deepnudes sind ebenfalls strafbar, wobei geschlechtsspezifische Gewalt als strafverschärfendes Motiv gelten kann. Täter*innen bleiben meist anonym, wodurch rechtliche Schritte oftmals schwer einzuleiten sind.
Fazit
Forschende arbeiten bereits daran, mit Hilfe von sogenannter Erklärbarer KI Deepfakes zu erkennen; dadurch soll verantwortungsvolle Nutzung von KI in der Gesellschaft gestärkt werden. Teilweise erkennen solche KI-Tools Kinderbilder und verhindern deren Verarbeitung zu Deepnudes, allerdings meist nur bei Frontalaufnahmen. Bei Profilansichten werden die Kinder dagegen nicht zuverlässig erkannt. Solche technischen Schutzmaßnahmen allein sind als Regulierungsinstrument unzureichend. Kinder und Jugendliche müssen für einen verantwortungsvollen Gebrauch solcher Tools ebenso befähigt werden, wie sie unterstützt werden sollten, eigene Strategien zum Schutz zu entwickeln.
Hilfe für Betroffene von digitaler Gewalt
- HateAid-Betroffenenberatung: Beratung für Betroffene von Hass im Netz
https://hateaid.org/betroffenenberatung/
Juuuport: Beratungsangebot und Tipps zum Umgang mit Sextortion
https://www.juuuport.de/infos/news/sextortion-erpressung-mit-intimen-aufnahmen - Hilfe-Telefon: Telefonische Hilfe bei sexueller Belästigung im Netz
https://www.hilfe-portal-missbrauch.de/hilfe-telefon - Dickstinction: Kostenloses Anzeigen, wenn Nacktbilder veröffentlicht wurden
https://dickstinction.com/