Self-Tracking bei Kindern und Jugendlichen

16.09.2021 | Aktuelles

Eine Frau in Sportkleidung befindet sich in einem Park. Sie schaut auf ihr Smartphone und trägt ein Fitnessarmband.
Unter Self-Tracking versteht man das Erfassen von Daten, die die eigene Person betreffen, zum Beispiel Körpergröße, Gewicht oder Puls. Besonders im Fitness-Bereich nimmt dieser Trend zu, auch unter Kindern und Jugendlichen. Mithilfe von Tracking-Technologien werden Informationen über die eigenen sportlichen Aktivitäten gesammelt und Ergebnisse erfasst. Smartphone-Apps, Fitnessuhren und -armbänder geben beispielsweise Auskunft darüber, wie viele Kilometer Nutzer*innen gejoggt oder geradelt sind, wie hoch dabei ihr Puls war und wie viele Kalorien sie verbrannt haben. Im Alltag wird häufig der Schrittzähler eingesetzt. Diese Funktion verrät Nutzer*innen, wie viel oder wenig sie sich an dem jeweiligen Tag bewegt haben. Auch im Fitnessstudio und beim Schwimmen können Self-Tracking-Anwendungen eingesetzt werden.

Vorteile von Self-Tracking

Die erhobenen Daten können helfen, eigene sportliche Aktivitäten zu beobachten, zu kontrollieren und so bessere Ergebnisse zu erzielen. Fitnessuhren und Co. unterstützen User*innen, sich Ziele zu stecken und diese zu erreichen. Sie erinnern an das Training und weisen auf Tage mit wenig Bewegung hin. Umgekehrt werden an Tagen mit guten Leistungen Erfolge und Fortschritte angezeigt. Das kann zu mehr Motivation und gesteigerter Leistung führen. Das Tracking ist auch eine Gelegenheit, den eigenen Körper besser kennenzulernen.

Die meisten Anwendungen geben User*innen die Möglichkeit, ihre Ergebnisse über Social-Media-Plattformen wie Instagram mit anderen Menschen zu teilen. Durch solche Posts können Kinder und Jugendliche Anerkennung für sportliche Leistungen erhalten. Der Vergleich mit anderen kann zusätzlich motivieren und zu einer besseren Selbsteinschätzung und -wahrnehmung führen. Gemeinsames Sporttreiben und Wetteifern, der Austausch darüber sowie das Festigen von Freundschaften sind ebenfalls mögliche positive Effekte.

Herausforderungen von Self-Tracking

Der Zielerreichungsdruck kann für Kinder und Jugendliche aber auch belastend sein. Durch den Vergleich mit anderen kann sich dieses Problem zuspitzen: Junge User*innen haben dann möglicherweise das Gefühl, unbedingt mit ihren Peers mithalten zu müssen. Bei schlechteren Ergebnissen, die über Social Media geteilt werden, sind Hänseleien und Mobbing denkbar. Durch das ständige Beobachten und Kontrollieren der eigenen Performance kann sich der Fokus der sportlichen Aktivitäten verschieben: Bewegung ist dann in erster Linie nicht mehr mit Freude und Spaß verbunden, sondern „mit dem kontrollierenden Blick [auf die eigene] Leistung“, heißt es in einer explorativen Studie im Rahmen des Projektes „Self-Tracking im Freizeitsport“ des JFF – Institut für Medienpädagogik

Ein weiteres Problem: Häufig teilen User*innen beim Joggen oder Radfahren ganze Wegstrecken mit den jeweiligen Zeiten. Potenziell fremde User*innen könnten so erfahren, welche Runden Kinder und Jugendliche für gewöhnlich zum Sporttreiben nutzen und ihnen im schlimmsten Fall auflauern. 

Zudem gibt es datenschutzrechtliche Aspekte zu bedenken: Tracking-Apps und -Geräte zeichnen zahlreiche Daten auf, die meist auch an Dritte weitergegeben werden. Zu den erhobenen Daten zählen sensible Informationen wie Körpergröße und Gewicht, Alter, Standort und Puls. „Unklar bleibt oft, mit welchem Nutzen und über welchen Zeitraum Unternehmen die gesammelten Daten speichern. Betrachtet man die eingegebenen und erzeugten Daten einzeln, sind sie noch nicht sehr aussagekräftig. Ist es aber möglich, sie zu kombinieren, lassen sich viele Rückschlüsse wie Bewegungsprofile, Freizeit- und Kaufverhalten erschließen“, informiert die Website des Projektes „Self-Tracking im Freizeitsport“.

Ansätze für die medienpädagogische Arbeit

Kinder und Jugendliche erleben den Umgang der Unternehmen mit ihren Daten meist als intransparent. Sie schätzen die Verarbeitung und Weitergabe von Daten durch Tracking-Anwendungen als Nutzungsrisiko ein. Ein Verzicht darauf kommt für sie aber nicht in Frage, da das hieße, konsequenterweise auch auf andere Online-Dienste wie YouTube verzichten zu müssen. Als pädagogische Fachkraft können Sie Kinder und Jugendliche über die Risiken aufklären und Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. 

Ein einfacher Tipp ist es, sich die Zugriffsrechte von Apps in den Einstellungen unter „Apps und Benachrichtigungen/App-Berechtigungen“ oder „App-Info“ anzusehen. Häufig können den Anwendungen ohne Einbußen an Funktionalität einige Berechtigungen entzogen werden, siehe auch das Infoblatt zum Thema Datenschutz des JFF.  Gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen können Sie einen Blick in die AGB oder Datenschutzbestimmungen werfen. Darin erfahren Sie, wo die Daten gespeichert, an wen sie weitergegeben und welche Zugriffsrechte der App eingeräumt werden. Allerdings sind solche Texte oft schwer verständlich. Eine Untersuchung der Verbraucherzentralen kann Abhilfe schaffen – darin wurden einige Tracking-Anwendungen mit ihren Datenschutzbestimmungen unter die Lupe genommen. Auch die Seite mobilsicher.de kann helfen, denn hier werden Apps datenschutzrechtlich geprüft.  

Eine weitere Möglichkeit ist es, kleine, zwanglose Sportaktionen mit Gruppen zu planen, zum Beispiel Fußballspiele, Tanzprojekte oder gemeinsame Jogging- und Rad-Ausflüge. Dabei sollte der Spaß an erster Stelle stehen und der Leistungsdruck möglichst gering gehalten werden. Solche Aktionen können dem zahlen- und leistungsorientierten Blick auf Bewegung entgegenwirken. Kindern und Jugendlichen sollte Raum gegeben werden, ihre sportlichen Aktivitäten und die damit erfundenen Erfahrungen zu reflektieren. Mit dem Self-Tracking zusammenhängende soziale Normen können ebenfalls thematisiert und hinterfragt werden. Mögliche Leitfragen hierfür können sein:  

  • Wie wird Sportlichkeit in unserer Gesellschaft definiert?  
  • Inwiefern hängt dieser Aspekt mit der Vorstellung von Erfolg, Selbstdisziplin und Schönheit zusammen?  
  • Als wie groß empfindest du selbst den Druck, solchen Idealbildern gerecht zu werden?  
  • Welche Vorstellungen sind mit gesellschaftlich nicht oder weniger anerkannten Körperbildern verbunden?  

Zahlreiche weitere Anreize für die medienpädagogische Arbeit sowie ein umfassendes, kostenlos verfügbares Methodenpaket finden Sie auf der Website des Projektes  „Self-Tracking im Freizeitsport“.  

 

Lilly Werny