Sexting

06.02.2024 | Aktuelles

Der private Austausch von sexuellem Bildmaterial im Internet gilt für viele Menschen als gewöhnliche Kommunikationspraktik, kann aber gerade für Jugendliche gefährlich und strafbar werden. Was Sie darüber wissen müssen und wie Sexting mit Kindern und Jugendlichen thematisieren werden kann, erfahren Sie hier.

„Sexting“ ist ein Kofferwort aus den Begriffen ‚sex‘ und ‚texting‘ und bezeichnete ursprünglich den Austausch textbasierter sexueller Nachrichten. Aktuell gilt allerdings nur noch das Versenden von bildbasierten sexuellen Botschaften als Sexting, also beispielsweise der Austausch von selbst produzierten freizügigen Fotos oder Videos. Sexting findet im digitalen Raum und dabei überwiegend auf Messenger-Diensten und Social-Media-Plattformen statt.

Welche Bildbotschaften als sexuell freizügig eingeordnet werden, ist nicht genau definiert. Laut dem Landesmedienzentrum Baden-Württemberg kann neben selbst erstelltem erotischen Bildmaterial in bestimmten Kontexten auch das Verschicken von bestimmten Emojis als Sexting bezeichnet werden: So „[…] kann bereits das Versenden einer Aubergine oder eines Pfirsichs als Sexting durchgehen oder eben ein ‚oben ohne Sixpack-Bild‘ sowie wie ein Bild, auf dem sich beispielsweise ein Mädchen mit tiefem Ausschnitt in freizügiger Pose oder gar oben ohne zeigt.“

Infomaterial zum Download

Einen Überblick zum Thema „Sexting“ und weiterführende Links stellen wir hier zum Download zur Verfügung.

Sexting als gewöhnliche Kommunikationspraktik

Grundsätzlich wird unter Sexting ein einvernehmlicher und privater Austausch sexuellen Bildmaterials verstanden. Sexting gilt daher als normale und gewöhnliche Kommunikationspraktik, die sowohl Erwachsene als auch Jugendliche betreiben. Während das Phänomen unter Erwachsenen verbreiteter zu sein scheint, geben 16% der 14- bis 24-Jährigen in der U25-Studie des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) an, schon einmal ein Nacktbild verschickt zu haben. Ein Teil der Befragten bestätigt außerdem, dass Sexting unter Jugendlichen mittlerweile eine gewöhnliche Kommunikationsform darstellt.

Gerade für Jugendliche kann Sexting reizvoll und Teil der (sexuellen) Identitätsfindung sein: Sie können ihre (sexuellen) Präferenzen austesten, ihren Körper als Teil ihrer Sexualität annehmen und dabei auch erfahren, wie andere darauf reagieren oder sich selbst bei Unsicherheiten vergewissern. Sexting dient für Jugendliche auch zum Beziehungsaufbau oder zur -pflege: Das Verschicken eines Sexts (= Bezeichnung für verschickte Inhalte, die unter Sexting gefasst werden) kann beispielsweise einen Vertrauensbeweis symbolisieren oder eine Liebesbotschaft überbringen. Sexts können außerdem zur gegenseitigen sexuellen Erregung ausgetauscht werden. Ein weiterer Beweggrund für Sexting kann auch sozialer Druck sein: Zum einen fühlen sich Jugendliche durch die Orientierung an Vorbildern (z. B. Prominente, Influencer*innen..) dazu bewegt, ein Sext verschicken zu wollen. So können Jugendliche durch freizügige Inhalte auf Social Media oder in der Werbung den Eindruck bekommen, dass freizügige Darstellungen gewöhnlich sind und sich daher unter Druck gesetzt fühlen, sich auch zu trauen, solche Darstellungen zu produzieren. Zum anderen kann auch ein empfangenes sexuelles Bildmaterial dazu führen, dass sich Jugendliche unter Druck gesetzt fühlen, auch mit einem Sext antworten zu müssen.

Gefahren und Herausforderungen von Sexting

An dieser Situation zeigt sich jedoch, wie schnell Sexting problematisch werden kann: Insgesamt geben mehr Jugendliche an, dass sie schon einmal einen Sext empfangen haben, während nur ein Teil davon bereits selbst welche verschickt hat. In einigen dieser Sexting-Fälle ist daher fraglich, inwiefern der Austausch auf Einvernehmlichkeit beruht. Insbesondere wenn Jugendliche ungewollt sexuelle Inhalte zugeschickt bekommen, können sie unter Druck geraten selbst sexuelle Inhalte zu produzieren oder sich belästigt fühlen.

Sexting kann außerdem dann gefährlich werden, wenn der Austausch den privaten Raum verlässt und intimes Bildmaterial an die Öffentlichkeit gelangt: Über das Internet verschickte Bilder und Videos können beispielsweise in Form von Screenshots, Weiterleitungen oder Veröffentlichungen ohne großen Aufwand und extrem schnell weiterverbreitet werden und so ungewollt und ohne Einverständnis der abgebildeten Person in fremde Hände gelangen. Bereits die Androhung einer Veröffentlichung birgt dabei Gefahren, da sie als Druckmittel oder Erpressung anzusehen ist. Das kann besonders im Kontext von Cybergrooming gefährlich werden: Dabei kontaktieren Erwachsene oder ältere Jugendliche Minderjährige im digitalen Raum gezielt mit sexuellen Absichten. Wenn die Jugendlichen keine weiteren Sexts schicken oder sich nicht mit dem*der Cybergroomer*in treffen wollen, können sie beispielsweise damit drohen, bereits geschickte Sexts zu veröffentlichen. Mehr zum Thema Cybergrooming und Tipps zum Umgang finden Sie hier.

Grundsätzlich ist zu sagen, wenn Sexts einmal verbreitet wurden, hat der*die Produzent*in meist keine Kontrolle mehr über den selbst erstellten Inhalt: Eine Folge von ungewollt veröffentlichten Sexts kann daher auch (Online-)Mobbing sein.

Rechtliche Konsequenzen

Darüber hinaus kann Sexting für Jugendliche auch rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Wann und inwieweit Sexting strafbar ist, ist zunächst abhängig vom Alter: Handelt es sich um Aufnahmen von unter 13-Jährigen, ist Sexting grundsätzlich verboten und strafbar, da es sich in diesem Fall um Kinderpornografie handelt. Wichtig zu wissen ist, dass sowohl der Besitz als auch das Weiterleiten und das Veröffentlichen von sexuell freizügigem Bildmaterial Minderjähriger strafbar ist. Empfangen Jugendliche also erotisches Bildmaterial von Minderjährigen, können sie aufgrund des Besitzes strafrechtlich belangt werden. Sollten Jugendliche davon betroffen sein, ist es hilfreich, Screenshots von Chatverläufen zu machen, um zu verdeutlichen, dass der Empfang ungewollt geschehen ist. Außerdem sollten Jugendliche in diesem Fall bei Vertrauenspersonen um Unterstützung bitten und so schnell wie möglich die Polizei aufsuchen, um die Beweise vorzulegen und die Inhalte auf den eigenen Geräten löschen zu können.

Bei Jugendlichen ab 14 Jahren ist vor allem wichtig, dass der Austausch des sexuellen Bildmaterials einvernehmlich und privat ist: „Senden sich zum Beispiel zwei Jugendliche (16 Jahre) erotisches Bildmaterial von sich selbst und einvernehmlich zu, ist das zwar nicht erlaubt, da es sich um Jugendpornografie handeln würde. Haben aber nur die beiden innerhalb ihrer Beziehung, egal ob Flirt oder Partnerschaft, die Bilder oder Videos für sich privat auf dem Mobilgerät, Tablet oder Laptop, dann kann dies rechtlich gesehen milde betrachtet werden und keine Folgen nach sich ziehen“, so die polizeiliche Kriminalprävention.

Altersunabhängig ist die Weiterleitung von Sexts ohne Zustimmung des*der Produzent*in immer strafbar, da dadurch das Recht am eigenen Bild verletzt wird. Hier gilt bereits das Zeigen im analogen Kontext ohne Einstimmung der abgebildeten Person als Tatbestand. Auch das sollte Jugendlichen bewusst sein, um mögliche rechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Jugendlichen begegnen beim Sexting damit nicht nur in der Rolle als Produzent*innen, sondern auch als Weiterleitende oder Empfänger*innen Gefahren.

Tipps für Fachkräfte

Die Gründe, warum Sexting für Jugendliche reizvoll ist, sind vielfältig. Die Motivation zum Sexting ist dabei nicht per se ‚schlecht‘ und nicht grundlegend zu verurteilen. Fachkräfte sollten hierfür also Verständnis aufbringen und Jugendliche urteilsfrei sprechen lassen. Gleichzeitig gilt es gerade bei diesem herausfordernden Thema, Kinder und Jugendliche für die Gefahren und insbesondere auch die rechtlichen Konsequenzen zu sensibilisieren. Jugendliche sollten – obgleich die Thematisierung von ‚Sexting‘ Herausforderungen für Fachkräfte birgt – Hintergrundwissen zu dieser Kommunikationspraktik haben, um selbstbestimmt entscheiden zu können, ob sie selbst Sexts verschicken und  die Risiken selbst besser einschätzen können.

Besonders hilfreich für Jugendliche ist es, in diesem Kontext auf sicheres Sexting hinzuweisen: Obgleich Sexting nie ganz sicher sein kann, gibt es einige Möglichkeiten, die Risiken ein Stück weit zu mindern. So schützt beispielsweise ein Sext, auf dem die Person nicht komplett erkenntlich ist davor, dass das Bild bei einer ungewollten Weiterleitung auf die eigene Person zurückgeführt wird. Jugendlichen kann also geraten werden, nur Sexts zu verschicken, auf denen ihr Gesicht oder andere auffällige Merkmale (z. B. Tattoos, Leberflecke) nicht zu erkennen sind. Zudem können Jugendliche beim Verschicken der Bilder den sogenannten Oma-Test durchführen. Das heißt, dass sie sich die Frage stellen, wie das verschickte Bild bei der eigenen Oma ankommen würde. Ein Bild im Bikini oder der Badehose würde die eigene Oma vermutlich in Ordnung finden, ein Nacktbild würde sie eher nicht verschicken. Dieser Test kann dabei helfen das eigene Bild zu reflektieren, bevor es verschickt wird. Denn Sexts müssen nicht sofort verschickt werden, sobald diese angefragt bzw. sich auf den Austausch geeinigt wurde. Fachkräfte sollten Jugendlichen hier deutlich machen, dass sie sich nicht unter Druck setzen lassen, sondern in Ruhe überlegen sollten, ob sie der Person, der sie das Sext schicken auch wirklich vertrauen und ob sie sich mit dem Sext, das sie verschicken wollen wirklich wohlfühlen. Wichtig ist es, deutlich zu machen, dass Vertrauen zwar ein wesentlicher Faktor für Sexting ist, aber auch, dass das Vertrauen zu einer Person keine Garantie für sicheres Sexting sein kann.

Ein weiterer Tipp ist es, bereits beim Verschicken des Bildes zu verdeutlichen, für wen das Bild bestimmt ist und was damit passieren darf. Das Bild kann in diesem Fall zwar trotzdem weitergeleitet werden. Durch das Vertreten des eigenen Standpunktes können aber Chatpartner*innen abgeschreckt oder im Fall einer Anzeige die Beweislage besser geklärt werden. Um sich beim Verschicken eines Sexts wohlzufühlen, hilft es außerdem, sich genug Zeit dafür zu nehmen und darüber nachzudenken. Neben dem Thema ‚Sexting‘ an sich kann in Workshops auch auf Kompetenzen eingegangen werden, die eng mit dem Thema zusammenhängen: So sollten Jugendliche darin bestärkt werden, nur Inhalte zu veröffentlichen, bei denen sie sich wohl fühlen und rechtzeitig Bescheid geben, wenn sie bei Problemen Unterstützung benötigen. Außerdem können auch Rollenbilder und Geschlechterklischees angesprochen und reflektiert werden, um Jugendlichen den sozialen Druck, nach dem sie teilweise handeln, bewusst zu machen. Auch das ‚Recht am eigenen Bild‘ sollte angesprochen und dabei deutlich gemacht werden, dass das ungewollte Weiterleiten von privaten Inhalten nicht in Ordnung und strafbar ist.

Fachkräfte sollten sich beim Ansprechen dieses herausfordernden Themas darüber bewusst sein, dass es hier essenziell ist, das Vertrauen der Kinder und Jugendlichen zu gewinnen: Nur wenn Kinder und Jugendliche das Gefühl haben, sich gegenüber der Fachkraft öffnen zu können, suchen sie, wenn es Probleme gibt, die Fachkraft oder andere erwachsene Ansprechpersonen beziehungsweise Beratungsangebote auf. Wichtig ist es also, sich dem Thema gegenüber nicht zu verschließen, die Gedanken und Handlungen der Jugendlichen dazu ernst zu nehmen und sie auf keinen Fall dafür zu verurteilen, sondern Verständnis dafür aufzubringen. Gerade beim Thema ‚Sexting’ kann auch auf Beratungsangebote für Jugendliche hingewiesen werden, bei denen sie anonym beraten werden können, wie z.B. juuuport.de. Tipps und Anleitungen für den Umgang mit Betroffenen finden Sie auf klicksafe.de sowie bei der Kriminalprävention der Polizei. Eine Methode, um das Thema ‚Sexting‘ in Zusammenhang mit Cybergrooming spielerisch zu vertiefen, gibt es außerdem hier.

Marie Kätzlmeier