Medien sind heute mehr denn je Teil der Lebenswelt von jungen Menschen – das betrifft sowohl die jüngeren als auch die älteren Kinder und Jugendlichen. So nutzen bereits 71 Prozent der Kinder zwischen 6 und 13 Jahren das Internet und 94 Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren haben ein eigenes Smartphone. Mit der Nutzung digitaler Medien sind auch Risiken verbunden. Vor diesen sollen hierzulande der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag sowie das Jugendschutzgesetz schützen. Diese gesetzlichen Regelungen sind allerdings nur ein Ansatzpunkt, diesen Schutz zu gewährleisten – die Förderung der Medienkompetenz von Kindern und Jugendliche ist ebenfalls unabdingbar.
Modernisierung des gesetzlichen Kinder- und Jugendmedienschutzes
Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag wurde zwischen allen 16 Bundesländern geschlossen. Dieser Vertrag bildet eine einheitliche Rechtsgrundlage für den Jugendschutz in elektronischen Medien, zu denen neben Fernsehen und Hörfunk auch das Internet zählt. Ziel ist es unter anderem, Kinder und Jugendliche online vor Angeboten zu schützen, die ihre Entwicklung beeinträchtigen oder gefährden können.
Der bisher geltende gesetzliche Kinder- und Jugendmedienschutz stammt im Kern aus den Anfängen der 2000er-Jahre und wurde der modernen, komplexen Medienrealität von Kindern und Jugendlichen nicht mehr gerecht. Interaktionsrisiken, wie beispielsweise Cybergrooming, Onlinemobbing und Hate Speech, waren bisher nicht der Teil der Regelungen. Das sogenannte Zweite Gesetz zur Änderung des Jugendschutzgesetzes soll den Kinder- und Jugendmedienschutz hierzulande modernisieren und an die aktuelle Medienrealität anpassen. Es ist zum 1. Mai 2021 in Kraft getreten.
„Ziel ist es, wieder einen effektiven Schutz von Kindern und Jugendlichen auch in Bezug auf digitale Medien, verlässliche Orientierung für Eltern und Fachkräfte und die Rechtsdurchsetzung auch gegenüber ausländischen Anbietern zu gewährleisten“, heißt es in einer Mitteilung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).
Mehr Schutz für Kinder und Jugendliche
Künftig sollen Kinder und Jugendliche durch das Gesetz effektiv vor Kostenfallen und Interaktionsrisiken geschützt werden. Kommerzielle Internetdienste, die auch von Kindern und Jugendlichen genutzt werden, also beispielsweise Social Media-Angebote wie TikTok oder Messenger-Dienste wie WhatsApp, werden zur Anbieter*innen-Vorsorge verpflichtet. Das heißt, sie sollen sicherstellen, dass ihre jungen Nutzer*innen unbeschwert an ihren digitalen Angeboten teilhaben können. Dafür sollen sie angemessene und strukturelle Vorsorgemaßnahmen treffen. Konkret werden sie zu kindgerechten Voreinstellungen verpflichtet, die beispielsweise dafür sorgen, dass Kinder und Jugendliche nicht mehr einfach von Fremden gefunden und angesprochen werden können. Kostenfallen, wie Loot-Boxen, sollen standardmäßig deaktiviert sein.
Die App TikTok hat bereits Anfang des Jahres solche Voreinstellungen für minderjährige User*innen vorgenommen. Konten von 13- bis 15-Jährigen sind grundsätzlich auf “privat” gestellt, das heißt die Nutzer*innen entscheiden selbst, wer ihnen folgen, ihre Videos anschauen und kommentieren darf. Auch für Personen zwischen 16 und 17 Jahren sind Funktionen in den Grundeinstellungen deaktiviert, beispielsweise das Herunterladen der eigenen Videos durch andere Nutzer*innen. “Alle oben beschriebenen Sicherheitsvorkehrungen greifen nur, wenn bei der Registrierung des Accounts das korrekte Geburtsdatum angegeben wurde. Eine Überprüfung, ob die Angaben korrekt sind, wird von TikTok nicht vorgenommen”, so die Einschätzung von klicksafe, einer EU-Initiative für mehr Sicherheit im Netz.
Das Gesetz schreibt darüber hinaus vor, dass kindgerechte Hilfs- und Beschwerdesysteme zur Verfügung stehen müssen. Auf diese sollen Kinder und Jugendliche zurückgreifen können, wenn sie sich bedroht oder bedrängt fühlen. Die Systeme sollen einfach, verständlich und leicht zu finden sein.
Als weitere Säule können Anbieter*innen „Eltern Möglichkeiten eröffnen, die Nutzung ihrer Kinder altersgerecht zu begleiten“, so das BMFSFJ. Erziehungsberechtigte sollen beispielsweise den Chat für Fremde schließen oder Zeit- und Budgetbegrenzungen vornehmen können.
Orientierung für Eltern
Zudem erhalten Filme und Spiele nun eine einheitliche Alterskennzeichnung – egal ob sie in Geschäften verkauft oder online gestreamt werden. Das war vorher nicht der Fall, Online-Games und damit auch die bei Kindern und Jugendlichen besonders beliebten Smartphone-Spiele wurden nicht eingestuft. “Dabei wird auf die bestehenden gesetzlichen Kennzeichen aufgesetzt, die einheitlich medien- und vertriebswegübergreifend gelten sollen”, so das BMFSFJ. Zu den bestehenden Kennzeichen gehören beispielsweise die der USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle).
Zudem flossen in die Altersbewertung von Spielen bisher keine Interaktionsrisiken mit ein. Das ändert sich nun. Bei der Einschätzung werden nicht mehr nur Aspekte wie Gewaltdarstellungen berücksichtigt, sondern auch, ob das Kind/der Jugendliche von Fremden kontaktiert werden kann und ungeschütztes Chatten möglich ist. Kostenfallen, wie Loot-Boxen, und glücksspielsimulierende oder suchtfördernde Elemente werden ebenfalls in die Bewertung einbezogen. Auf diese Weise gewinnt das Alterskennzeichen an Aussage- und Orientierungskraft. Eltern soll es erleichtert werden, für eine altersentsprechende Mediennutzung ihrer Kinder zu sorgen.
Umsetzung der Vorschriften
Für die Durchsetzung der Vorschriften soll die neue „Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz“ sorgen (als Nachfolgeinstitut der „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“ – BpJM). Sie soll sicherstellen, dass die Plattform-Betreiber*innen ihren Vorsorgepflichten nachkommen, also beispielsweise entsprechende Voreinstellungen sowie Hilfs- und Beschwerdesysteme einrichten. Halten sich Anbieter*innen nicht an die Regelungen, können unter Umständen Bußgelder in Höhe von bis zu 50 Millionen Euro verhängt werden.
Mit dem neuen Gesetz sollen die Perspektiven von Kindern und Jugendlichen sowie ihre Interessen und (Schutz-)Bedürfnisse eingefangen werden. Medien ermöglichen ihnen unter anderem gesellschaftliche Teilhabe und die Gelegenheit, ihre Sichtweise einzubringen. Neben den gesetzlichen Jugendschutzmaßnahmen ist es wichtig, die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen zu stärken und sie zu einem souveränen Umgang mit Medien zu befähigen. Das ist beispielsweise durch Projekte wie ACT ON! möglich. Die “Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz” trägt dazu bei, indem sie die bessere Vernetzung aller relevanten Akteur*innen des Kinder- und Jugendmedienschutzes, beispielsweise aus den Bereichen Kinder- und Jugendschutz, Kinderrechte, Medienpädagogik, Wohlfahrtspflege sowie Kinder- und Jugendmedizin, fördert.