Jugendkulturelle Strömungen auf Social-Media-Plattformen

18.08.2020 | Aktuelles

Ein Smartphone-Display zeigt die verschiedenen Apps der sozialen Medien

Während früher Zeitschriften oder das Musikfernsehen jugendkulturelle Strömungen medial verbreitete, sind es heute Social-Media-Plattformen wie z. B. TikTok. Kinder und Jugendliche lernen dort verschiedene Styles kennen und können sich ausprobieren. Aber auch spezifische Herausforderungen sind damit verbunden.

Sie heißen Soft-Girls, E-Boys oder VSCO-Girls and -Boys. Es handelt sich dabei um Styles oder auch Identitäten, die sich auf beliebten Social-Media-Plattformen wie TikTok und Instagram entwickelt haben und unter Kindern und Jugendlichen populär sind. Man könnte sie auch als jugendkulturelle Strömungen bezeichnen. Sie zeichnen sich durch eine bestimmte Ästhetik aus, die durch entsprechende Kleidung, Accessoires, Make-up und Bildbearbeitungsfilter geprägt ist. Teilweise können auch tiefergehende Botschaften oder Themen wie Umweltschutz damit verbunden sein.

Was Kinder und Jugendliche an den Styles fasziniert

In die Rolle eines E-, Soft- oder VSCO-Girls/-Boys zu schlüpfen, eröffnet Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, sich auszuprobieren. Das kann ihnen dabei helfen, eine eigene Identität auszubilden und Zugehörigkeitsgefühle zur jeweiligen Gruppe schaffen. Sie können so auch ihrem Drang nach Selbstinszenierung nachkommen.

Die jeweiligen Strömungen beinhalten häufig ironische Elemente. Das wird zum Beispiel an den oft übertrieben Make-ups und Outfits deutlich. Viele User*innen sehen darin eine Möglichkeit, ihren Humor auszudrücken.

Ob der Style nur in den Sozialen Medien oder auch im echten Leben verkörpert wird, hängt vom*von der User*in ab. Viele beschränken sich für die Inszenierung auf TikTok, Instagram und Co. und posten dort unter Hashtags wie #egirl #eboy ihre Looks. So schaffen sie sich eine Art zweite Persönlichkeit. Es kann großen Spaß machen, auch mal extremere Looks zu verkörpern, die man im echten Leben vielleicht nicht tragen würde. Durch Videos, in denen Verwandlungen dargestellt werden – zum Beispiel vom E-Girl/-Boy zum Soft-Girl/-Boy – können diese Identitäten online flexibel gewechselt und ausprobiert werden. Die Kinder und Jugendlichen müssen sich hier nicht so starr auf eine Identität festlegen wie im realen Leben.

Herausforderungen und Tipps für pädagogische Fachkräfte

Die Styles und Identitäten können allerdings auch Risiken und Herausforderungen mit sich bringen, die sich je nach Typ unterscheiden. E-Girls oder E-Boys zeigen sich häufig sehr freizügig und in sexualisierten Posen, wodurch das Risiko für Cybergrooming erhöht sein kann, da sie so auf Menschen mit kriminellen Absichten oder pädophilen Neigungen anziehend wirken könnten.

Als Soft Girl verstärkt man womöglich traditionelle Bilder von Weiblichkeit durch die Inszenierung als besonders niedlich. Manche Mädchen nutzen den Style auch bewusst als subtile Botschaft ihrer Emanzipation. Soft Boys weichen von traditionellen Männlichkeitsbildern ab und schaffen so mehr Diversität.

Der VSCO-Style ist stark durch das Tragen hochpreisiger Marken geprägt, die in der Szene als unabdingbar gelten, um authentisch zu sein. Das schließt Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien aus. Ebenso passen einige populäre Kleidungsstücke lediglich schlanken, großen Personen. Der Style fördert damit den Drang nach Anpassung an vorgegebene Bilder und bremst Individualität sowie Kreativität aus.

Als pädagogische Fachkraft sollte man Interesse an den Styles zeigen und Kinder und Jugendliche beim Ausleben dieser begleiten. Unvoreingenommene Reflexionsgespräche über Chancen und Risiken stellen eine gute Möglichkeit dar, auf Augenhöhe ins Gespräch zu kommen. Kinder und Jugendliche können so für Herausforderungen sensibilisiert und gleichzeitig darin bestärkt werden, die Styles auf eine eigene, kreative Weise zu interpretieren anstatt sie nur zu kopieren.

Lilly Werny